PRESSETEXTE

Die Szenerie wirkt apokalyptisch. Die Grabsteine erscheinen im Gegenlicht noch dunkler, und die Sonne verleiht ihnen geradezu einen Strahlenglanz. Die Namen der Toten, die darauf standen, sind gelöscht. Nur Fragmente von Zahlen und Buchstaben deuten noch darauf hin, was der Stein einmal war: gemeißelte Erinnerung an einen Menschen. Vor zwei Jahren begann der Schorndorfer Steinmetz und Bildhauer Christoph Traub damit, Grabsteine von aufgelassenen Gräbern künstlerisch zu bearbeiten, mit Presslufthammer und Flex zu öffnen, zu durchdringen, Inneres sichtbar zu machen. Unschön habe er schwarze Grabsteine empfunden, sagt der 45-Jährige, der weiß, dass man das als pietätlos empfinden mag. Dabei macht Traub den immerwährenden Kreislauf vom Leben und Sterben sichtbar, indem er Grabsteine und emotionale Tabus durchbricht. Die Steine waren tot, der Künstler wiederbelebt sie. Gliedmaße lassen sich erahnen. Traub holt Körperformen hervor, legt Widerstände und Kräfte frei, die im Stein verborgen waren. Jetzt reflektieren sie menschliche Mühsal, versteinerte Emotionen. …

Hans Steinherr, Südwest Presse (NWZ), 03.11.2009


 


 


 


… Die ursprüngliche Funktion der Steine ist teilweise noch zu erkennen, denn schon von weitem ist die typische Gestalt der Grabsteine zu sehen, wie sie vor rund 50 Jahren in Mode war. Abgerundete Ecken und polierte Oberflächen waren damals gang und gäbe. Traub hat sie meist in der Fläche aufgebrochen. Das Innere hat der Bildhauer ausgehöhlt, gefräst und durchlöchert. Dabei sind neue Inhalte entstanden, die sich an der menschlichen Figur orientieren. Meist sind es torsoartige Gebilde, die Traub im Mittelpunkt der Steine geschaffen hat. Vor Kraft strotzend, scheinen die muskulösen Körper den Stein schier zu sprengen. Dies lässt sich als Anspielung auf das menschliche Schicksal, auf Werden und Vergehen und für den, der es mag, auch auf den Glauben an die Auferstehung deuten. Gedanken, die den Künstler bei der Namensgebung der Arbeiten als „Durchdringungen” bewegt haben mögen. …

Corinna Meinke, Stuttgarter Zeitung, 02.11.2009









Zwei Welten vereinigt Christoph Traub bereits in seiner Werkstatt. Um zum Kern vorzustoßen, geht der Besucher vorbei an Grabsteinen der gewöhnlichsten Art, Relikte aufgelassener Gruften. Der gelernte Steinmetz empfindet das übliche Steinmetzenwerk heute als „unschön”, als „erdrückend”. Und lässt dem Schwarzen Granit seine Art der Bearbeitung angedeihen. Presslufthammer und Flex schaffen Durchbrüche, Durchdringungen – das ganze Transitus-Thema vom Leben zum Tod und wieder zurück. Auch wenn der allemal versierte Steinebearbeiter Traub selber dabei nicht Kopf und Kragen riskiert – er ist schließlich Professioneller.  

Es geht nach hinten und nach oben rechts. Ins Büro und direkt auf den Laptop zu. Werke gucken gehen, die so groß sind, uns Menschlein rein maßstäblich so erdrücken (oder erheben), dass die Ehrfurcht vor dem Steinebeweger im gleichen Maß mitwächst. Es schaut herkulinisch aus. Besser noch: pharaonisch. Denn der konkrete Ort der Figurerstellung lag in Ägypten, in Matruh. „Homely”, das Wesen nicht ganz von dieser Welt, 4,60 Meter hoch aus Assuan-Granit, entstand so wie viele Werke des Schorndorfer Kosmopoliten der Kunst im Rahmen eines Symposions. …  

Jörg Nolle, Waiblinger Kreiszeitung, 19.07.2008  








Granitblöcke und -platten sind das Ausgangsmaterial fast aller Arbeiten. „Es ist ein toter Stein”, sagt Christoph Traub, weil er nicht durchädert ist wie Marmor und nicht porös wie Kalk. Seine Farbigkeit variiert zwischen Grau- und Schwarztönen. Es ist gewissermaßen ein gefügiges, weil charakterarmes Material, dem der Bildhauer ganz und gar den eigenen Gestalltungswillen aufprägen kann.  

Und noch etwas ist bei diesen Arbeiten durchgängig: Sie alle besitzen einen art „Rahmen”. Da ist beispielsweise ein rechteckiges Relief. Beine und Arme mit prankenartigen Händen sind darin erkennbar. Sie sind aus dem Stein herausgeschnitten. Kopf und Rumpf fehlen. Die Gliedmaßen winden sich, bäumen sich auf, scheinen sich mit aller Kraft gegen die Rahmung zu stemmen, aus ihr ausbrechen zu wollen. Vergeblich: an keiner stelle schaffen sie se, sich aus der strengen vorgegebenen Form auch nur einen Zentimeter herauszubewegen. Sie bleiben in ihr gefangen.  

Dasselbe lässt sich bei den raumplastischen Arbeiten beobachten. Stets bleibt die ursprüngliche Quaderform des Steinblocks noch bei der fertigen Plastik erahnbar. Selbst die stelenartigen Figuren wirken auf diese weise niemals prekär in ihrer Statik. Dieses architektonische Korsett verleiht den Torsi , die stark abstrahiert sind, einen Halt, den sie selbst nicht aufbrächten: Traub schildert Körper, die außer sich sind – gequält, sich aufbäumend, sich windend und verkrampfend, Rahmung, Symmetrie und architektonische Strenge stehen im Kontrast dazu – sie sind die Dompteure dieser aufgebrachten Leiber. Das hat theatralisches Format …  

Kathrin Wesely, Stuttgarter Zeitung, 15.12.2005



 

Traub, der junge Vielschaffer aus Winterbach, hat es längst unterlassen, sich an bekannten Größen abzuarbeiten. Er hat sein eigenes Profil gefunden in der Formung seines Typenrepertoires, seines Personals. Er spürt der menschlichen Anatomie nach, macht das ohne Respekt, komprimiert, längt, perforiert, abstrahiert auf grob geometrische Weise die Körper, die nichts Heiles und Heldisches mehr haben. Und fand so zu einem spezifischen Witz in der Darstellung.  

Jörg Nolle, Waiblinger Kreiszeitung, 14.02.1998